Waldbaden. Ein Begriff, der viele verschiedene Assoziationen hervorrufen kann. Ein Bild vor dem inneren Auge könnte zum Beispiel eine Badewanne im Wald sein. Dass das ein Gedanke ist, den viele Menschen haben, die zum ersten Mal mit dem Thema Waldbaden in Berührung kommen, erfahren wir von der Achtsamkeitstrainerin Brigitte Ulrich.

In Ratingen, Nordrhein-Westfalen, durften wir sie einen Tag im Wald direkt vor ihrer Haustür besuchen. Hier bietet sie kleinen Gruppen das angeleitete Waldbaden an. Was das genau bedeutet, wer ihre Kundinnen und Kunden sind und wie das Waldbaden sich positiv auf die Psyche und das allgemeine Wohlbefinden auswirken kann, verrät sie uns im Interview. 

Lisa: „Was genau können wir uns unter dem Begriff „Waldbaden“ vorstellen?“

Brigitte: „Bei dem Begriff „Waldbaden“ stolpern viele. Ich bekomme oft die Frage, ob dann hier wirklich eine Badewanne im Wald steht. Die nächste Frage ist dann: „Umarme ich da Bäume?“ Darauf antworte ich: „Es ist von allem etwas, aber irgendwie dann doch nicht.“ Mit dem Baden ist tatsächlich das „Baden“ in der Waldluft bzw. der Waldatmosphäre gemeint. Dabei nimmt man die Luft und die Dinge um sich herum mit allen Sinnen auf. Diese Achtsamkeitsmethode wurde in Japan erfunden. Dort heißt sie „Shinrin Yoku“ – was so viel bedeutet wie „Baden in der Waldluft“. 

Waldbaden wird wissenschaftlich begleitet, was einer der Unterschiede zum normalen Aufenthalt im Wald ist. Es wird genau darauf geachtet, was der Wald mit mir als Mensch macht: Wie ändert sich zum Beispiel meine Atmung?

Auf der anderen Seite gibt es den Aspekt der Achtsamkeit. Ich trainiere im Wald im Hier und Jetzt anzukommen. Die Natur macht es uns da sehr viel leichter, als wenn wir in einem geschlossenen Raum sitzen würden, in dem man sich dann vorstellen muss, wie man sich jetzt am besten entspannen könnte.“

Lisa: „Wie bist du zum Waldbaden gekommen?“

Brigitte: „Ich war beruflich gestresst und hatte auch körperliche Beschwerden. Es hat Jahre gedauert, bis mir dann mal jemand gesagt hat, dass diese körperlichen Probleme vor allem auch Stress bedingt auftreten können. Damit habe ich mich eine Weile auseinandergesetzt und bin so zum Thema Achtsamkeit gekommen. Ich war in einer Naturheilkundeklinik und da haben wir viel mit klassischer Achtsamkeit, autogenem Training, progressiver Muskelentspannung und generell Entspannungsmethoden gearbeitet. Das hat mir im Alltag gut geholfen, sodass ich dann eine klassische Entspannungspädagoginnen-Ausbildung für mich gemacht habe. 

Dann habe ich in einer Zeitschrift über das Waldbaden gelesen und dachte mir: Mensch, klar! Raus und die Natur erleben, das holt einen total runter. Im Rahmen der Ausbildung habe ich noch viele Dinge darüber erfahren, was die Natur im Allgemeinen mit uns macht. Hier hatten wir eine Fachaufgabe: Entwerfe ein Konzept, wie du Waldbaden bei dir in der Region anbieten könntest. Dann habe ich überlegt: Warum eigentlich nicht? Und dann habe ich 2019 die ersten Veranstaltungen angeboten. Nach wie vor bade ich auch immer ein Stück weit mit meinen Teilnehmenden mit und freue mich, wenn wir am Ende sagen können, dass es eine tolle Zeit war und die Teilnehmenden runterkommen konnten. Sie können auch alle etwas mitnehmen, denn das Waldbaden ist keine Raketenwissenschaft. Da kann jeder beim nächsten Spaziergang auch selber etwas machen.“

Lisa: „Was für Übungen werden beim Waldbaden durchgeführt?“

Brigitte: „Es werden zum Beispiel Atemübungen gemacht. Oder man kommt an einem Ort im Wald an und blickt sich erstmal um und stellt sich die Frage, wo man eigentlich gerade genau ist. Es geht hierbei darum, sich bewusst umzuschauen, aber auch mal die Augen zu schließen und zu hören: Wie klingt eigentlich dieser Ort an dem ich mich befinde?

Zum Thema Bäume umarmen: Eine Übung kann auch sein, an den Baum näher heran zu treten und sich mal anzulehnen. Ich wette, dass die meisten diesen Baum dann auch umarmen, einfach um dieses Gefühl zu haben und zu merken: Da steht etwas 60-70 Jahre immer noch am gleichen Fleck und ist immer noch stabil. Das gibt eine gewisse Kraft und ich glaube, dass das durch das Umarmen transportiert wird.

Es gibt letztendlich viele Übungen, aber am wichtigsten ist: Man macht diese Übungen absichtslos. Als Beispiel: Oft ist man in der Natur

und geht spazieren, wandern oder Fahrradfahren, aber dann ist die Natur oder der Wald nur Kulisse. Das heißt, ich suche mir eine Aktivität aus und überlege, wo ich diese am besten ausführen kann. Beim Wandern und Radfahren habe ich außerdem auch oft ein Ziel – ob das jetzt ist, irgendwo anzukommen oder heute 50 Kilometer zu fahren. Aber beim Waldbaden sind wir hier, um einzutauchen und den Wald wahrzunehmen. Das ist der große Unterschied zum Unterwegssein in der Natur im Alltag.“

Lisa: „Was würdest du sagen, wie sich der Wald auf die Psyche auswirkt?“

Brigitte: „Ganz allgemein gesprochen gibt es Untersuchungen darüber, dass man in der Natur die Möglichkeit hat runterzukommen und ein Stück bei sich selbst wieder anzukommen. Das wird zum Beispiel auch unterstützend in Therapien eingesetzt – sei es in der Psychotherapie, in der Reha oder auch in der onkologischen Therapie – um wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen, wenn man ein gestörtes Bild von sich als Person hat oder sich nicht vollständig fühlt. Man kann auch feststellen, dass Patienten und Patientinnen mit Depressionen oder Angststörungen sich im Kontakt mit der Natur besser fühlen.

Bei mir sind überwiegend Teilnehmende, die das einmalig machen. Die sind zum Beispiel in einer stressigen Situation im Alltag oder im Beruf, müssen Familienangehörige betreuen oder haben eine hohe und belastende Position im Job. Diese Menschen erleben das Waldbaden als Auszeit, um das alles für 2-3 Stunden hinter sich zu lassen. Sie schildern dann, dass sie mal wieder bei sich angekommen sind und gestärkt daraus gehen.“

Lisa: „Hört sich dann fast wie ein kleiner Urlaub an, oder?“

Brigitte: „Ja, mit dem entscheidenden Unterschied, dass man diesen dann bei sich selbst und mit sich selbst macht und sich vielleicht nicht wieder Ablenkung sucht –  in Sehenswürdigkeiten oder in anderen Aktivitäten. Man soll diese Zeit für sich haben und das kennen viele gar nicht mehr. Durch Handys und Streaming lassen wir uns ja ständig beschallen, was auch eine Strategie ist, um nicht nachzudenken. Achtsamkeit ist nicht immer angenehm. Es geht darum, zu sehen, was gerade da ist und zu versuchen, dies nicht zu bewerten, sondern zu lernen, Dinge zu akzeptieren. Das Waldbaden soll das Bewusstsein dafür wecken, dass es Wege gibt, sich mit sich auseinanderzusetzen.“

Lisa: „Kannst du noch etwas genauer darauf eingehen, wer bei dir eine Tour zum Waldbaden bucht? 

Brigitte: „Grundsätzlich gibt es zwei Gruppen: Einmal Privatleute, die neugierig werden, wenn sie den Begriff Waldbaden hören und das ausprobieren wollen, um auch die Natur auf eine andere Weise zu erleben. Es gibt auch Privatleute, die über den eben erwähnten therapeutischen Aspekt auf das Waldbaden aufmerksam geworden sind. Außerdem gibt es auch private Gruppen, also zum Beispiel Freundinnen, die zusammen eine schöne Zeit verbringen wollen.

Auf der anderen Seite habe ich Firmenkunden. Da kann man nochmal unterteilen in Unternehmen, die im Rahmen von Teamevents etwas suchen, was sie draußen machen können. Das war zum Beispiel zu Zeiten von Corona sehr beliebt. Ich mache aber auch betriebliches Gesundheitsmanagement bei Unternehmen und habe dort Klinken als Kunden und Kundinnen, die das dann für ihre Mitarbeitenden anbieten. Das Waldbaden kann dann zum Beispiel auch in Form eines Achtsamkeitsspaziergangs von 1-2 Stunden stattfinden.“

Na, seid ihr neugierig geworden? Waldbaden wird natürlich nicht nur in NRW angeboten, sondern in weiten Teilen Deutschlands – so auch bei uns im Thüringer Wald. Auf unserer Webseite könnt ihr jetzt einen Ausflug zum Waldbaden buchen.

Klickt dafür am besten hier: https://buchen.green-moment-activities.de/pakete/11